Ein neues Zivilisationsmodell

Der kulturelle Relativismus, der von einer Anzahl an Anthropologen vertreten wird, will, dass jede Kultur, egal welche, für alle Individuen gleichwertig wäre. Was zählte wäre die Anpassung des Individuums an seine Gruppe mit ihren Traditionen, unabhängig von den seiner Natur eigenen Erfordernissen.

Diese Behauptung ist weit davon entfernt bewiesen zu sein, Man kann ganz im Gegenteil leicht das Konträre beweisen. Nur ein einziges widersprüchliches Beispiel reicht, um eine Hypothese zu erschüttern. Z.B. gibt es in Indien den Kult einer Göttin, die als Opfer eine Totalkastration ihrer Anhänger fordert. Abgesehen von der schockierenden und traumatisierenden Seite solcher Praktiken, genügt es die jungen Leute zu befragen, die eine derartige Operation erleiden mussten, wie sie das finden. Falls sie der Schweigepflicht, die in der Sekte herrscht, entkommen, beklagen sie sich, dass sie ständig an einem Triebdrang litten, ohne über die Verwirklichungsmittel zu verfügen.

Es ist klar, dass eine Kultur, die Forderungen gegen die Natur hat, für das Individuum schädlich ist. Die natürlichen Triebe entspringen der genetischen Programmierung der Psyche. Sie zu vereiteln kreiert Frustration, innere oder äußere Konflikte, permanentes Leiden, Aggressivität, Depression, Selbstmord usw. Das zitierte Beispiel ist grotesk, aber dieselben Mechanismen sind jedesmal am Werk, wenn eine kulturelle Verpflichtung oder ein Verbot konträr zu dem genetischen Potential ist und die Anpassungsfähigkeiten überschreitet. Ein strikter Relativismus hält so nicht stand.

Besser ist es, man definiert eine Gesamtheit an Kulturen als „progenetisch“, die den genetischen

Gegebenheiten der Spezies konform sind. Eine Kultur, die dieser Definition entspricht, hätte nur psychologisch und biologisch akzeptable Ge- und Verbote, die keine schädlichen Konsequenzen zeitigten. Unsere westliche Kultur ist angefangen von den Ernährungsgewohnheiten bis zu sexuellem und Konsumverhalten, welches sie uns auferlegt, mit gravierenden Beeinträchtigungen gespickt. Sie ist somit nicht in den Rahmen der progenetischen Kulturen einzuordnen.

Eines der Ziele der Urpsychologie besteht darin, die nicht progenetischen Elemente, die unsere westliche Kultur und sogar alle anderen bekannten Kulturen kompromittieren, aufzuzeigen und den historischen und psychophysiologischen Hintergrund zu erklären. Sind diese Elemente ersteinmal ans Licht gebracht, ist es leichter einen adäquaten Abstand dazu zu bekommen, die Ursachen persönlichen Leidens besser zu verstehen und wenigstens für sich eine besser adaptierte Lebensweise einzurichten, mit der entfernten Hoffnung, unsere Gesellschaft für die kommenden Generationen zu verbessern.