Die transzendenten Aspekte des Kosmos

Wie könnte man die transzendenten Aspekte des Universums definieren? Wir wollen alle Elemente so nennen, die durch eine direkte oder indirekte Sinneswahrnehmung nicht erreichbar sind.

Die abgewandte Seite des Mondes bleibt der Sicht verborgen, während sie trotzdem Teil der materiellen Aspekte ist, denn man kann einen Forscher oder eine Kamera hinschicken, die zusammenhängende Bilder liefern würden oder einen Roboter, der einige Steine aufheben würde, die man betrachten und anfassen könnte, hätte man das Glück der NASA anzugehören.

Der transzendente Teil der Wirklichkeit ist derjenige, welcher der übersinnlichen Wahrnehmung vorbehalten bleibt (oder, der uns unzugänglich ist: Wir ziehen hier nicht diese Möglichkeit in Betracht, da, indem sie unerreichbar wäre, die Wirklichkeit im Prinzip jeder Erkenntnis und jedem Einfluss entgehen würde, welches einer Nichtexistenz entspäche).

Die Erfahrung zeigt, dass die Elemente, die man über einen übersinnlichen Weg wahrnehmen kann, von „archetypaler“ Natur sind: Sie sind sowohl symbol- als auch gefühlsbeladen wie Jung festhielt. Die symbolische Seite richtet sich an unseren Intellekt und der emotionale Teil an unsere Gefühle. Intellekt und Gefühle sind die zwei Kanäle, durch die wir die durch übersinnliche Wahrnehmung erhaltenen Archetypen entschlüsseln können. Man kann auch sagen, dass die Archetypen mit einer Energieinformation geladen sind, mit einer informativen, das Denken und einer die Gefühle nährenden Komponente.

Die Gefühlskomponente handelt als Motor, der den Intellekt anregt, eine Interpretation des Symbols in Zusammenhang mit Gelebtem zu bringen. Diese innere Arbeit, die Jung Selbstverwirklichung nannte, um zu präzisieren, dass es sich um eine Aktion universeller Werte auf das Individuum handelt, liegt im Herzen jeder authentischen spirituellen Evolution. Ein nicht durch Archetypen gespeister Intellekt weicht unvermeidlich in alle möglichen Arten von egoistischen, philosophischen und religiösen Vorstellungen ab, die letztlich nichts als Illusion sind.

Die Archetypen scheinen auf den ersten Blick wie vage Entitäten ohne Bedeutung. Das reduktionistische Bild der Realität, welches uns unsere rationalistische Kultur sowie die Religionen übermitteln, ziehen sie nicht in Betracht. Dieser Mangel erklärt sich durch die Dürftigkeit übersinnlicher Fähigkeiten. Es gibt kaum Platz für sie bei unserer Art Dinge und Ereignisse wahrzunehmen. Der Begriff Archetyp selbst wird oft auf ein im Allgemeinen rein intellektuelles, aus verschiedenen Erfahrungen stammendes Modell reduziert, wie z.B. bei Voltaire. Sieht man aber genau hin, dann sind es sie, die unsere Gefühle, Motivation, Intuition, Kreativität, Urteile und Entscheidungen speisen, selbst wenn wir uns in Ermangelung eines direkten Zugangs zu ihnen dessen nicht bewußt sind. Dadurch haben sie eine direkte Auswirkung auf den Lauf menschlicher und sogar materieller Ereignisse, durch z.B. Vorhersehen einer meteorologischen oder anderen Katastrophe.

Bei den seltenen Fällen einer Wahrnehmung der Archetypen sprechen die Religionen von Erscheinungen, ohne sich bewußt zu sein, dass eine Vision der Jungfrau nur eine Form unter anderen ist, die ein Archetyp einnehmen kann, der mit einer Energie geladen ist, die z.B. auf die Wichtigkeit einer spirituellen Arbeit hinweisen will. Man kann sehen wie stark diese „Wunder“ ihre Geschichte beeinflussen. In einem anderen Rahmen kann derselbe Archetyp die Form eines Feuerwagens oder einer fliegenden Untertasse annehmen. Sie benutzen irgendwie verfügbare zerebrale Inhalte um sich auszudrücken und sollten von daher anhand des vom Individuum Gelebtens entschlüsselt werden.

Wenn die übersinnlichen Fähigkeiten normal entwickelt sind (Platon sprach von einem Wieder-In-Gangsetzen des geeigneten Seelenorgans), sind die Archetypen, in was für einer Situation auch immer, ständig erreichbar. Man kann auch beobachten, dass es diese archetypalen Energien sind, die Liebe aufkeimen lassen, Künstler inspirieren, Toleranz nähren, Begegnungen begünstigen, den Begriff der Gerechtigkeit bestimmen, den Harmoniewillen beleben und ein Zurückweisen des Schlechten eingeben. Hier finden sich die wesentlichen Energien, die unsere Schicksale regeln, indem sie die Gesetze des Zufalls verwenden, aber immer im Sinne des Guten.

Man kann übrigens das Böse als das definieren, welches gegen die Archetypen läuft und Quelle von Durcheinander, Krankheiten, psychischen Konflikten und Zerstörung ist. Hingegen charakterisiert der Begriff des Guten den Archetypen konforme Elemente im Sinne von Ordnung, Harmonie, Gesundheit, innerem Frieden, Liebe, Toleranz, Geduld, Verzeihung, usw. Anders gesagt im Sinne der Lebenswerte.

Diese Sicht der Dinge mag abstrakt oder willkürlich erscheinen. Sie wird aber nach und nach ersichtlich, wenn die übersinnlichen Fähigkeiten ihre natürliche Funktion wiedererlangen, die genau darin besteht, uns mit dieser archetypalen Dimension in Kommunikation zu bringen. Die Visionen können z.B. jemanden auf den Weg der Liebe leiten, sodass dieser sein eigentliches Ziel erreicht, welches darin besteht bei sich in einem Glücksgefühl übersinnliche Fähigkeiten zu entwickeln und die spirituelle Entwicklung zu sichern. So installiert sich ein Tugendkreis, der erlaubt, das natürliche Funktionieren von Psyche und Metapsyche wiederherzustellen, welches durch einen permanenten Kontakt mit der transzendenten Dimension charakterisiert ist.

Erinnern wir uns noch daran, dass Platon diese Problematik perfekt in zweien seiner Dialoge beschreibt, im Gastmahl und im Phädra: Etwas wahrhaftig zu verstehen bedeutet, es in Resonanz mit den im Bewußtsein zutage tretenden Essenzen zu versetzen. Dies fühlt sich wie eine Entdeckungsmagie und ein Anstrengungen-vergessen-lassendes-Entzücken an, welches die Dinge deutlich und wohltuend verändert und tief im Gedächtnis eingräbt. Die Erklärungen des großen Philosophen werden im Allgemeinen schlecht verstanden, aus dem einfachen Grund, da die Übersetzer den Begriff Essenzen, der eigentlich mit dem der Archetypen identisch ist, mit Ideen übersetzen. Ideen sind im geläufigen Kontext rein mentale Prozesse, die sich von jeglicher „Anbindung“ an diese subtile Dimension entfernen können. Somit werden aus der Lehre Platons banale und hohle Ausschweifungen.

Es stellt sich die Frage, ob es noch andere transzendente Gebilde gibt, außer der Welt der Archetypen, wie es gewisse sehr intellektualisierte Begriffe wie z.B. die Theogonien verschiedener Religionen anklingen lassen. Zwei Gesichtspunkte stehen dem entgegen: entweder bieten die Religionen Zugang zu höheren spirituellen Niveaus als die Archetypen, oder der Verlust des Zugangs zu den Archetypen hat die Bahn für religiöse Spekulationen freigemacht, die sich auf punktuelle paranormale Fakten (Intuition, Vision, Wunder…) aufpfropfen.

In diesem zweiten Fall taucht der Begriff Göttlichkeit in Form eines menschlichen oder tierischen Bildes auf, als Ersatz für die verlorene Dimension (wie die Totems). Die Begriffe Paradies oder Hölle erscheinen als Substitute für innere Zustände von Glückseligkeit oder Schuldgefühlen, verbunden mit Gehorsam oder Ungehorsam den Archetypen gegenüber.

Indem man weiss, dass ein wissenschaftliches Vorgehen erfordert, sich mit der einfachsten und der am direktesten nachprüfbaren Hypothese zufrieden zu geben, setzt die Urpsychologie auf die zweite Hypothese, bleibt aber offen für eine berechtigte Veränderung der Gesichtspunkte.